Aufs Auto verzichten – unter diesen Umständen gar kein Problem!

Das Auto gilt als der Deutschen liebstes Spielzeug. Nicht nur, dass es praktisch ist, um längere Strecken bequem zurückzulegen und Einkäufe, Kind und Kegel zu transportieren. Ein bisschen Statussymbol ist es auch heute noch. Wohlgemerkt: Noch. Denn wenn wir es ernst nehmen mit dem Umweltschutz, dann gehört auch die Frage dazu, wie unsere individuelle Mobilität in Zukunft aussehen könnte. Die Antwort darauf wird nicht der tonnenschwere SUV mit 450 PS sein. Immerhin verursacht der Straßenverkehr einen erheblichen Teil der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Dass Benzin und Diesel keine Brennstoffe der Zukunft sind, dürfte jedem klar sein.

Vielleicht grübeln Sie aber auch “nur” aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen, ob es Zeit ist für Ihre ganz persönliche Verkehrswende – bis hin zur Abschaffung des privaten PKW?

Dann seien Sie versichert: Mit solchen Überlegungen sind Sie nicht alleine. Denn immer mehr Studien zeigen, dass ein Umdenken stattfindet. Gerade junge Menschen fahren nicht mehr so leidenschaftlich und zwingend Auto wie die Generation vor ihnen. Und : Wer in den großen Städten der Welt lebt, für den ergibt der Verzicht aufs eigene Auto durchaus Sinn. Denn Parkplätze oder auch nur fließender Verkehr (statt autofreier Zonen) sind rar. So rar, dass in der Innenstadt hinterm Steuer zu sitzen kaum noch Spaß macht. Andererseits: Menschen, die weit ab vom Schuss im Grünen leben, können über die Idee eines autofreien Lebens oft nur den Kopf schütteln.

Ob ein Leben mit oder ohne Auto möglich und sinnvoll ist, entscheiden also vor allem die individuellen Umstände. Wegen der Gewohnheiten aus “alten Zeiten” jedoch kann es manchmal schwerfallen, die wirklich objektiv zu hinterfragen. Vielleicht haben sich die Zeiten und Möglichkeiten in Sachen Mobilität in Ihrem Fall schon längst geändert?

Lassen Sie uns also aufs Gaspedal treten und herausfinden, wie die Wahrheit aussieht – und ob Sie sich und der (Um-)Welt wirklich einen Gefallen tun, wenn Sie Ihr eigenes Auto ganz abschaffen.

Nachteile des eigenen Autos – und warum es sich lohnen kann, darauf zu verzichten

Wir gehen an dieser Stelle davon aus, dass Sie (noch) ein eigenes Auto besitzen oder gerade kurz vor Leasing oder (Neu-)Kauf eines Wagens stehen – und sich noch einmal absichern wollen. Wie schön es ist, mit dem Steuer in der Hand Musik mitzusingen, im Sommer über Landstraßen zu gleiten und sich im Winter von der Sitzheizung wärmen zu lassen, brauchen wir Ihnen an dieser Stelle also nicht erklären.

Fangen wir lieber mit den Gründen an, die allen schönen Ausfahrten zum Trotz gegen ein eigenes Auto sprechen:
 

Autos sind umweltschädigend

Keine Frage, die heutigen Neuwagen sind so energiesparend wie nie. Und das, was aus dem Auspuff kommt, ist nicht mehr so emissionsreich wie noch vor ein paar Jahren. Aber vom energieneutralen Autofahren sind wir noch weit entfernt. Und: die Menge macht’s! Knapp 70 Millionen Fahrzeuge waren 2021 in Deutschland zugelassen. Der Anteil des Straßenverkehrs am Kohlendioxid-Ausstoß in der EU ist in den letzten Jahrzehnten trotz moderner Technik nicht gesunken, sondern stark gestiegen (um rund zehn Prozent). Wer an einer vielbefahrenen Straße lebt, kann heute noch Atemprobleme bekommen. Auch unser Ökosystem würde sich über mehr autofreie Zonen zweifelsohne sehr freuen. Nicht zuletzt, weil bei der Produktion von Autos oft noch mehr CO2 freigesetzt wird als bei ihrer Nutzung.

Autos sind laut

Knapp 15 Prozent der Autos, die 2021 zugelassen worden, waren E-Autos. Doch in der Gesamtbilanz sind sie noch immer eher die Ausnahme. E-Autos machten auch Anfang 2022 nur rund zwei Prozent aller Pkw in deutschen Städten aus. Auch hier heißt es also: Je mehr einzelne Autos unterwegs sind, umso laut(er) bleibt es. Über drei Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Straßenlärm, tags wie nachts.

Autos sind gefährlich

In Wohngebieten, in denen keine Autos fahren, können Kinder gefahrloser draußen spielen. Wohingegen Kinder auch als Beifahrende im Auto gefährlich leben: 2021 kamen in Deutschland über 2.500 Menschen bei Unfällen im Straßenverkehr ums Leben. Nimmt man die "Personenkilometer” als Bemessungshilfe, so liegt die Wahrscheinlichkeit, bei einer Autofahrt zu verunglücken, über einhundert Mal höher als bei einer Zugreise.

Autos verbrauchen Fläche

Selbst, wenn Ihr Auto sein Leben mehr auf dem Parkplatz oder in der Garage als auf der Straße verbringt – es braucht Platz. Und den könnte man auch deutlich besser nützen. Studien kommen zu dem Schluss, dass geparkte private Pkw in Deutschland ein Vielfaches mehr an Platz verbrauchen als alle Fahrzeuge des ÖPNV (wie Busse und Bahnen) zusammen. In manchen Städten, zum Beispiel in München, “gehören” dem Autoverkehr fast 20 Prozent der gesamten Stadtfläche, also zum meist privaten Fahren, Parken – und im Stau stehen. Rund 500.000 Stunden und unzählige Kilometer Stau auf deutschen Straßen erfasst der ADAC – pro Jahr.

Autos sind (auch) unpraktisch

Schnell, entspannt und flexibel am Ziel – so stellen wir uns die perfekte Autofahrt vor. Doch allzu oft vergessen wir dabei die Themen Parkplatzsuche, Parkplatzkosten, Strafzettel, Reifenwechsel, Waschanlage, Werkstatt, Tanken, enge Straßen, Mautgebühren, Stau usw. Wer sich mit nörgelnden Kindern auf dem Rücksitz schon mal durch kleine Ortschaften in Italien gequält hat, in der ständigen Angst, den Außenspiegel abzufahren und schier daran verzweifelnd, das Auto irgendwo abstellen zu können, kennt das Problem. Und weiß: Das dann eigentlich verdiente Glas Wein muss man sich wegen der Heimfahrt auch noch verkneifen. Dass der Umstieg auf Bus und Bahn spätestens in der Rush Hour oft enorm zeitsparend ist, weiß jeder Großstadtmensch.

Nachteilfreie Alternativen zum eigenen Auto

Wenn Sie den genannten Argumenten gegen das eigene Auto ein lautes “Ja, aber...!” entgegenrufen wollen – dann haben Sie wahrscheinlich nicht Unrecht damit. Für viele Menschen sind Autos die einzige Möglichkeit, derart flexibel und unabhängig zu bleiben, dass sie ihren Alltag überhaupt gestalten können. Denn wenn alles glatt läuft, kommt man dank eigenem Auto zu jeder Zeit und auf direktem Weg dorthin, wo man hin muss. Zur Arbeit, zum Sportunterricht der Tochter, zum Flötenunterricht des Sohns, zum Arzt, zum Getränkemarkt. Die Strecke darf gerne länger sein. Völlig problemlos kann man auch noch andere Menschen und alles, was ins oder ans Auto passt, transportieren. Bei Regen muss man kaum mehr tun als die Scheibenwischer einzuschalten.

Mit unserer Checkliste “Leben ohne Auto – für wen, für wen nicht?” können Sie herausfinden, ob Ihre persönlichen Lebensumstände ein autofreies Leben überhaupt herzugeben scheinen: Wo machen Sie die meisten Kreuzchen?

Ratgeber Leben ohne Auto - Checkliste

Checkliste “Leben ohne Auto – für wen, für wen nicht?”

Außerdem wollen wir uns jetzt noch im Einzelnen anschauen, welche Alternativen zum eigenen Auto zu Ihnen passen könnten.

Carsharing oder Fahrgemeinschaften - gemeinsam genutzte Autos

Ein Auto haben - ohne ein Auto zu haben: So sieht gutes Carsharing aus. Wenn Carsharing-Anbieter ihre Flotte in Ihrem nahen Umfeld zur Verfügung stellen, kann es sein, dass Sie sogar günstiger fahren als mit einem eigenen Auto und den dazugehörigen laufenden Kosten (dazu spä-ter mehr). Auch andersrum wird ein Schuh draus: Vielleicht beginnen Sie sich von der bedingungs-losen Liebe zu Ihrem Auto zu lösen, wenn Sie es mal mit Ihrer Nachbarschaft teilen – und dabei sogar etwas Geld verdienen? 

(Lasten-)Fahrrad - leider nix für Wetterempfindliche

Viele Autofahrten in Städten könnte man bei körperlicher Fitness mit dem Fahrrad erledigen. Die Hälfte der Strecken, auf denen Autos innerstädtisch unterwegs sind, sind nämlich keine fünf Kilo-meter lang. Städte wie Kopenhagen oder Amsterdam haben sich darauf eingestellt und sperren den Autoverkehr einfach ganz aus dem Zentrum aus. Elektronische Lastenfahrräder lassen sich heutzutage ebenso leasen wie Autos – und fangen selbst den Großeinkauf ab. Eigentlich toll, wäre da nicht das mitteleuropäische Niesel-Wetter.

Wollen Sie mehr über die drei besten Auto-Alternativen für die Stadt erfahren?
 

Zweirädrig motoriesiert - in der Stadt (fast) ohne Nachteil mobil sein

Je kleiner der Motor der Alternative, umso günstiger ist diese im Vergleich zum Neuwagen. Wer morgens und abends sowieso nur im Stop-and-Go von Ampel zu Ampel fährt, es dabei aber im-merhin warm und trocken haben will, setzt auf so genannte Mini-Cars. Sie haben stadtfreundliche Höchstgeschwindigkeiten von 45 Stundenkilometern und können teils sogar schon von 15-Jährigen mit einem so genannten AM-Führerschein gefahren werden. Und: Wer wettergeschützt strampeln will, sollte sich einmal über Velomobil informieren.

ÖPNV statt eigenes Auto

Bus, Bahn und Tram sind für viele die beste Wahl für tägliche Arbeitswege. In der Freizeit werden die Alternativen zum eigenen Auto gerne vergessen. Wenn Sie sich also mit der Idee tragen, kein eigenes Auto mehr zu besitzen, führen Sie ruhig mal ein anderes Fahrtenbuch und checken: Hätten Sie ihre Ausflugsziele auch mit den Öffentlichen erreichen können? Gäbe es Alternativen, die ohne Auto gut anzusteuern sind? Wie sieht die jeweilige Kosten-Zeit-Bilanz aus?

Taxi statt eigenes Auto

Taxifahrten sind unverschämt teuer? Nur, wenn Sie zum Alltag werden. Wer auf das eigene Auto ganz verzichtet und dafür viel kostenfrei mit dem Fahrrad oder zu Fuß erledigen kann, hat im Vergleich zum Autobesitz ein Budget, in dem auch mal eine Taxifahrt drin ist. Wie praktisch Taxifahren ist, weiß jeder Partygänger.

Zu Fuß gehen statt Autofahren

10.000 Schritte pro Tag – das ist eine Zahl, die Fitnesstracker gerne honorieren. Doch so weit schaffen es die wenigsten von uns. Vor allem nicht, wenn es vom Bürostuhl über den Autositz auf die Couch geht. Seien Sie ehrlich: Wo in Ihrem Alltag könnten Sie Wege gleich zur leichten sportlichen Betätigung nutzen, Geld und Stress sparen – und Ihrer Gesundheit und Ihrer Umwelt einen Gefallen tun?

Leben ohne Auto – lässt sich damit wirklich Geld sparen?

Auf den ersten Blick sieht die Rechnung ganz leicht aus: Wer kein Auto hat, spart sich Anschaffungs- und Fixkosten und hat eine umweltfreundliche Entscheidung getroffen. Nur: Wir alle müssen eigentlich immer irgendwohin – und manchmal, gerade auf dem Land, geht es eben nicht anders als mit dem Auto. Daher kann die Frage, ob der Verzicht aufs eigene Auto finan-ziell lohnt oder schadet, nicht pauschal beantwortet werden.

Nehmen wir einmal an, Sie kaufen einen gebrauchten Kleinwagen für mindestens 4.000 Euro. Für diesen Betrag könnten Sie sich, wenn Sie und Ihre Ziele gut ans Bahnnetz angeschlossen sind, eine Bahncard 100 im Jahr leisten. Statt auf dem Weg in die Arbeit im Stau zu stehen, hieße das Zeitunglesen in der 1. Klasse. Nimmt man alle laufenden Kosten hinzu, die ein Auto verursacht, kommt man auf durchschnittlich 300 Euro pro Monat. Experten gehen davon aus, dass Autofahrer, die schon jetzt kaum eine Gesamtstrecke über 10.000 Kilometer im Jahr zurücklegen, auf Mietwagen oder Carsharing-Angebote umsteigen könnten – ohne ein Minusgeschäft damit zu machen. Das würde die Hälfte aller deutschen Autofahrer und Autofahrerinnen betreffen.

Unser Tipp: Wenn nach unsere Checkliste Hoffnung auf ein Leben ohne Auto besteht, dann testen Sie doch einfach mal für ein oder zwei Monate lang die von uns vorgeschlagenen Alternativen – und treffen dann erst die Entscheidung.