Ratgeber
Klassenfahrt statt Schule: Haftung, Aufsichtspflichten und Risiko für Lehrer
Klassenfahrten werden für Lehrende oft zu einem Spießrutenlauf. Wie lassen sich kritische Situationen handhaben und wie steht es im Ernstfall um die Haftung?
Klassenfahrten als Nervenkitzel: Aufsichtspflicht und andere Lehrer-Risiken unter der Lupe
Das Leben als Lehrkraft ist im "normalen" Unterricht oft schon nicht leicht. Doch gerade auf Klassenfahrten spitzt sich die Lage regelmäßig noch etwas zu. 24-Stunden-Verfügbarkeit, ständig auf Hochspannung, damit nichts passiert und dazu noch Schüler, die die Autorität der Lehrenden in Frage stellen: Lehrer und Lehrerinnen sind in dieser Situation wirklich nicht zu beneiden. Das ist aber noch nicht alles, denn auch vor und nach der Schulfahrt zieht der Stress ebenfalls seine Kreise. Melden sich doch gerade dann gerne auch die berüchtigten "Helikopter-Eltern" zu Wort, die die Zügel selbst bei Schulveranstaltungen nur äußerst ungern aus der Hand geben - und prinzipiell einfach alles besser zu wissen scheinen.
Stolpersteine und kritische Situationen lauern somit an jeder Ecke für die Lehrkräfte und Aufsichtspersonen. Wir klären auf, wie Problemsituationen bestenfalls vermieden werden können, wie in einem Ernstfall zu reagieren ist und wie es um die Haftungsfragen bestellt ist.
Risiken außerhalb der Schule auf Klassenfahrt
Klassenfahrten gehören seit jeher zu einer umfänglichen Schulausbildung. Sie fördern die Schüler und Schülerinnen vornehmlich hinsichtlich sozialer Verhaltensregeln und sollen für Offenheit gegenüber neuen Situationen und Orten sorgen. Zudem werden oft Destinationen gewählt, die in historischem Kontext zur Bildung beitragen. Gerade für jüngere Schüler und Schülerinnen ist die erste Klassenfahrt ein sehr großes Abenteuer. Mitunter sind sie zum ersten Mal ohne ihre Familie unterwegs und – zumindest gefühlt – auf sich allein gestellt. Somit ist der Übermut bei einigen Schülern oft übermäßig hoch – die Risikobereitschaft nimmt zu, das Verletzungsrisiko leider auch.
Auf welche spezifischen Risiken, die gerade bei Veranstaltungen wie Klassenfahrten und anderen Exkursionen gehäuft auftreten, müssen Lehrende sich also schon vorab vorbereiten? Laut Erfahrungswerten und statistischen Erhebungen sind unter anderem die folgenden Risiken und Vorfälle auf Klassenfahrten wahrscheinlich:
- Unfälle auf der Hin- oder Rückreise zur Klassenfahrt: Laut Statistik zum Schülerunfallgeschehen passieren die meisten Unfälle auf dem Hin- oder Rückweg. Diese Unfälle sind statistisch allerdings besonders auffällig, da beispielsweise bei einem Busunfall gleich alle Schüler einer Klasse betroffen sind.
- Erkrankungen und Verletzungen der Schüler: Die Erste-Hilfe-Pflicht obliegt den Lehrern. In akuter Gefahrenlage müssen sie gemäß ihrer Aufsichtspflicht entscheiden, was zu tun ist. Bei minder schweren Erkrankungen oder Verletzungen sollten zudem die Eltern befragt werden, ob die Schüler die Klassenfahrt fortsetzen. Zudem ist eine generelle Informationspflicht der Lehrer gegenüber den Eltern auf Schulfahrten gegeben.
- Fehlverhalten der Schüler: Fehlverhalten seitens der Schüler führt zu Ausschluss von der Klassenfahrt. Zu solchem Verhalten gehören beispielsweise überhöhter Alkoholkonsum und/oder Zigarettenkonsum während des Ausflugs, Sachbeschädigung, Gewalt und Mobbing, Gefährdung für sich selbst und andere oder Diebstahl.
Um sich auf das Eintreten solcher Zwischenfälle gut vorzubereiten, sollten vor allem junge Lehrende eine Checkliste für die notwendigen Utensilien anlegen, die auf der Fahrt mit den Minderjährigen mitzuführen sind. Diese sollte beinhalten:
- Liste mit Telefonnummern: Muss alle wichtigen Telefonnummern von Eltern, Begleitern, Schulleitung und gegebenenfalls von den Schülern und Schülerinnen selbst beinhalten.
- Erste-Hilfe-Materialien: Eine Ausstattung der Aufsichts- und Begleitpersonen mit allen wichtigen Materialen zur Erstversorgung sowie speziellen Materialien für Personen mit Allergien oder Krankheiten ist notwendig.
- Aktueller Erste-Hilfe-Kurs: Lehrkräfte und Begleitpersonen müssen als Ersthelfer ausgebildet sein und ihr Erste-Hilfe-Kurs darf zum Zeitpunkt der Fahrt nicht länger als drei Jahre zurückliegen.
- Unfalldokumentation: Unfälle bei schulischen Veranstaltungen müssen aus Gründen der Haftung sorgfältig dokumentiert werden.
Versicherungsschutz beim Schadensfall
Für Klassenfahrten besteht grundsätzlich ein gesetzlicher Unfallschutz – und das im In- und Ausland. Versichert sind alle Tätigkeiten, die im direkten Zusammenhang mit der schulischen Veranstaltung stehen. Dazu zählen zum Beispiel die An- und Abreise oder das gemeinschaftliche Freizeitprogramm unter Aufsicht. Alle Tätigkeiten, die zum persönlichen Lebensbereich der Schüler gehören, etwa Essen und Trinken im Alleingang oder ein abendlicher Discobesuch, sind jedoch nicht in diesem Versicherungsschutz inkludiert. Diese Zeiträume können aber individuell über eine private Unfallversicherung für die Schüler oder im Rahmen einer bestehenden Familienversicherung abgedeckt werden.
Letztendlich müssen die Zeiten, in denen die Schüler Freigang ohne Aufsichtspflicht genießen dürfen, vorab abgesprochen sein – und bestenfalls schriftlich dokumentiert. Denn mitunter wird die Einordnung von Unfällen ziemlich kompliziert und schwierig. Das ist immer dann der Fall, wenn Aktivitäten nicht eindeutig der Klassenveranstaltung zugeordnet werden können. Beispielsweise begeben sich Schüler unerlaubt außerhalb des Geländes und erleiden dabei einen Unfall. Ob die gesetzliche Unfallversicherung dann auch zuständig ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Aufsichtspflicht und Haftungsfragen
Lehrkräfte müssen während der Klassenfahrt ihrer Aufsichtspflicht uneingeschränkt nachkommen. Sie übernehmen auf einer Klassenfahrt - genau wie auf dem Pausenhof oder beim Unterricht im Klassenzimmer - dasselbe Maß an Verantwortung für ihre Schüler, das sonst Eltern für ihre Kinder tragen. Kommt es zu einer Aufsichtspflichtverletzung, können sie daher auch in unangenehme Schwierigkeiten geraten. Bei der Beaufsichtigung sollten die Lehrkräfte deshalb nach diesen drei Punkten vorgehen:
- Kontinuierlich: Jederzeit hat der Lehrer seine Schüler und Schülerinnen im Blick.
- Aktiv: Werden Regeln von den Schülern auf der Klassenfahrt nicht eingehalten, ermahnt die Lehrkraft und nimmt vor allem nachts Kontrollgänge vor.
- Präventiv: Die Lehrkraft kennt sich bestenfalls vor Ort aus und weist auf etwaige Gefahren hin.
(Fast) immer nötig: Zusätzliche Aufsichts- und Begleitpersonen
Da Klassenfahrten meist mehrere Tage dauern, benötigt die Lehrerin einer gemischten Klasse zur Einhaltung ihrer Aufsichtspflicht mindestens eine männliche Begleitperson - ein Lehrer im Gegenzug eine weibliche Begleitperson. Voraussetzung ist, wie bereits erwähnt, dass auch die Begleitung über die erforderlichen Erste-Hilfe-Ausbildung verfügt. Erste-Hilfe-Materialien sind generell stets griffbereit mitzuführen. Beim Ausflug ist die eigentliche Lehrkraft diesen Hilfspersonen gegenüber weisungsbefugt und für deren Einsatz verantwortlich. Die Schüler müssen zwar nicht permanent betreut werden, aber Lehrer oder Begleitpersonen müssen für die Kinder oder Jugendlichen jederzeit erreichbar sein.
Besonderheiten beim Ausflug mit Klasse oder Schule
Bei chronisch kranken Schülern oder Schülerinnen sollte nach Absprache mit den Eltern auch die notwendige Medikamenteneinnahme beaufsichtigt oder kontrolliert werden. Kommt es nämlich bei chronisch Kranken durch Aussetzen der Medikamente zu ernsten gesundheitlichen Problemen, könnten unter Umständen bei Nachweis mangelnder Aufsicht auch die Lehrer zur Verantwortung gezogen werden.
Bei älteren Schülern oder Schülerinnen können nach Zustimmung der Erziehungsberechtigten die Kriterien der Aufsicht auch zuweilen etwas gelockert werden. Das kann (und sollte) aber nur dann geschehen, wenn die beteiligten Schüler im Vorfeld auch wirklich die nötige Reife und das erforderliche Verantwortungsbewusstsein bewiesen haben.
Verletzung der Aufsichtspflicht
Die Klärung, ob Lehrkräfte ihre Aufsichtspflicht verletzt haben oder nicht, wird bei Beamten zumeist in einem Disziplinarverfahren vorgenommen. Je nach Schwere des Vergehens kann ein Verweis, eine Geldbuße, eine Degradierung oder sogar der Jobverlust drohen.
Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) kann die Verletzung der Aufsichtspflicht zu Schadensersatzforderungen führen. Hier haftet aber normalerweise die Schulbehörde, nicht der einzelne Lehrer. Das gilt aber nicht immer. Ein schwerer Straftatbestand, der sich aus der Verletzung der Aufsichtspflicht ergeben kann, wäre etwa eine fahrlässige Tötung. Sie kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden.
Prinzipiell empfiehlt sich auf jeden Fall für alle Lehrkräfte – ob Referendar oder "fertiger" Lehrer – eine Diensthaftpflichtversicherung als Baustein in der Privathaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese sichert Sie gegen Schadenersatzforderungen Dritter ab, die aus Schäden entstehen, für die Sie als Lehrkraft persönlich verantwortlich gemacht werden.
Achtung bei Beförderung im privaten PKW!
Erhöhte Vorsicht ist übrigens geboten, sollten Lehrer einmal Schüler im privaten PKW mitnehmen. Gerade in ländlichen Gegenden mit schwach ausgeprägter Infrastruktur kommt dies zuweilen vor. Sehr problematisch wird es aber im Falle eines Unfalls und bei Sach- oder Personenschäden. Denn die Lehrkraft muss dann haftungs- beziehungsweise strafrechtliche Konsequenzen befürchten.
Lehrer auf Klassenfahrt: Durch Vorbereitung das Risiko als Aufsicht verringern
Der Beruf des Lehrers ist bekanntermaßen ein anstrengender Beruf – physisch und psychisch. Die Ansprüche an Lehrer und Lehrerinnen hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit und 100-prozentiger Einsatzbereitschaft rund um die Uhr werden auf Klassenfahrten nochmal auf eine ganz andere Stufe gebracht. Obwohl die gemeinschaftlichen Ausflüge natürlich den Schulalltag auch auflockern und bereichern, bedeuten sie für Lehrkräfte und Begleitpersonen vor allem tagelange Hochspannung und Stress. Denn sie alle wissen um die Ernsthaftigkeit ihrer Pflichten – vor allem um die der Aufsichtspflicht. Und obwohl im Schadensfall bei Unfällen meist die gesetzliche Versicherung greift, kann es bei Nachweis grober Fahrlässigkeit dennoch zu persönlicher Haftung kommen. Trotzdem lassen sich Klassenfahrten gut vorbereiten und alle möglichen Szenarien im Vorab gut durchspielen, sodass Sie als Lehrkraft im Ernstfall wissen, was zu tun ist. Durch Checklisten, wichtige Informationen über einzelne Schüler und eine zusätzliche Sicherheit durch eine abgeschlossene Diensthaftpflichtversicherung kann dann auch die Klassenfahrt für alle Teilnehmer zu einem wunderbaren Abenteuer werden.