Notfälle im Klassenzimmer: So verhalten Sie sich richtig!

8,3 Millionen Schüler machen sich nach dem Ende der Sommerferien wieder daran, von Montag bis Freitag mehrere Stunden am Tag die Schulbank zu drücken. Das sind etwa 10 Prozent der deutschen Bevölkerung. 
Für all diese Schüler ist eine Berufsgruppe verantwortlich: Die Lehrer. Täglich haben Lehrer für mehrere Stunden die Aufsichtspflicht an Schulen. Sie müssen Acht geben, dass jedes Kind nach getaner Arbeit die Schule heil verlässt – und wissen natürlich, was zu tun ist, wenn nicht jeder Schüler im Schulalltag heil bleiben sollte. Ist doch selbstverständlich, oder? 
Die Realität sieht jedoch manchmal leider ganz anders aus. Denn Notfallhilfe steht nicht ganz so hoch im Kurs der Lehrer-Lehrpläne, wie man vielleicht meinen würde.
Lehrer sind nämlich lediglich dazu verpflichtet, einmalig (!) zum Beginn ihrer pädagogischen Laufbahn einen Erste-Hilfe-Kurs zu absolvieren. Jegliche Weiterbildung oder Auffrischungskurse müssen von den Schulen weder finanziell noch zeitlich gefördert werden – und werden dementsprechend selten angeboten. Glücklicherweise bilden sich aber dennoch viele Lehrkräfte auf eigene Kosten regelmäßig in Sachen „Notfallhilfe“ fort.
Ein Umstand, der mit Blick auf die Statistik noch unglaublicher erscheint. Denn Schulunfälle sind keine „Ausnahmeerscheinung“: 

  • Im Jahr 2018 wurden nach Informationen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) über 1,1 Millionen Schulunfälle verzeichnet. Rein rechnerisch hatte damit jedes siebte Kind im letzten Jahr einen Unfall in Klassenzimmer, Pausenhof & Co. 

Das Paradoxe an der Situation: Passiert tatsächlich etwas, fällt die Schuld oft auf die zuständigen Lehrer zurück. Vorwürfe wie 

  • die Verletzung der Aufsichtspflicht oder 
  • die falsche Ausführung der Erste-Hilfe-Maßnahmen 

landen dann nicht selten vor Gericht. Fälle dieser Art vorzubeugen ist deshalb wohl im Interesse eines jeden Lehrers. 
Aber: Wie verhält man sich im Notfall richtig? Und welche Unfälle sind gang und gäbe in deutschen Klassenzimmern? Wir haben die Antworten!

Was sind die Pflichten von Lehrern?

Als Lehrkraft müssen Sie den Schülern nicht nur zur Seite stehen, wenn schon etwas passiert ist. Denn Lehrer haben die Pflicht Unfälle, Verletzungen & Co. nach Möglichkeit zu verhindern. Schließlich gehört die Aufsichtspflicht zu den Dienstpflichten im Lehrberuf. Das bedeutet im Klartext: In erster Linie müssen Sie alle Ihnen zugeteilten Schüler beaufsichtigen. Das schließt alle Schulklassen, bei denen Sie Ihren Unterricht abhalten – auch Vertretungsklassen – ein. 

Im weiteren Sinne sind Sie sogar zur Aufsicht über alle Schüler der Schule verpflichtet. Besonders dann, wenn in einer Gefahrensituation eingegriffen werden muss. Die Aufsichtspflicht gilt zudem nicht nur im Unterricht, sondern im gesamten Schulalltag und über eine von der Schule festgelegte Zeit vor und nach Unterrichtsende hinaus. 

Das Problem: Wenn diese Aufsichtspflicht verletzt wird oder die Lehrkraft bei Personenschäden keine ausreichenden Erste-Hilfe-Maßnahmen einleitet, ist im Schadensfall nicht mehr zwingend die gesetzliche Unfallversicherung zuständig. So kann es schlimmstenfalls passieren, dass Lehrkräfte persönlich haften müssen. Disziplinarische, aber auch zivil- und strafrechtliche Maßnahmen können dann weitere Folgen sein. So viel zum schlimmstmöglichen „Was-wäre-wenn“-Schreckensszenario. 

Glücklicherweise kommen die meisten Schüler, Lehrer und andere Beteiligte bei Schulunfällen aber in der Regel mit dem sprichwörtlichen „blauen Auge“ davon. Deshalb folgen jetzt ein paar wirklich handfeste Erste-Hilfe-Tipps für die häufigsten Schulunfall-Situationen!
 

Was tun bei…Verletzungen?

Toben auf dem Pausenhof, Gerangel unter Schülern oder Kippeln im Unterricht. Die Verletzungsgefahr im Schulalltag ist nicht gerade niedrig. Dass Lehrer hierbei nicht jeden Schulunfall voraussehen können, ist logisch. Dafür ist die richtige Versorgung im Ernstfall umso wichtiger.
Dazu sollten Sie zuerst die Unfallschwere einschätzen. Denn wenn der Schüler nicht mehr bei Bewusstsein ist oder nicht mehr atmet, muss sofort der Notruf alarmiert und mit Rettungsmaßnahmen durch Lehrer oder Sanitätsdienst begonnen werden. 

Wenn es sich um Verletzungen handelt, die nicht umgehend ärztlich versorgt werden müssen, sollten Sie nach dem P.E.C.H.-Prinzip vorgehen. Eine recht schwarze Situationskomik, die im Fall der Fälle aber dennoch sehr hilfreich sein kann.
 

•    Pause: Belastungsstopp und Ruhigstellen des verletzten Körperteils
•    Eis: Maßnahmen zur Kühlung
•    Compression: neben der Kühlung sollte bei stumpfen Verletzungen, Prellungen, Verstauchungen o.ä. ein Kompressionsverband angelegt werden
•    Hochlegen: des verletzten Körperteils, um für einen erhöhten Blutrückfluss aus diesem Bereich zu sorgen und dadurch die Einblutung in das verletzte Gewebe zu verhindern
 

Was tun bei…Erstickungsanfällen?

Diese Art Notfall kommt im Schulalltag glücklicherweise deutlich seltener vor als die typischen Blessuren wie Platzwunden oder Verstauchungen. Ein Bissen des Pausenbrots kann dennoch schnell im Hals stecken bleiben und die Luftzufuhr verhindern. Der Schüler droht zu ersticken. Jetzt geht es um jede Sekunde. So handeln Sie richtig: 

  1. Dass sich der Fremdkörper nicht von alleine löst, erkennen Sie an Atemnot und anhaltendem Hustenreiz, sowie an Pfeifgeräuschen beim Atmen. Zusätzlich kann sich das Gesicht rot oder blau verfärben.
  2. Tritt eines oder mehrere der genannten Symptome auf, fordern Sie den Betroffenen zum Husten auf.
  3. Wenn das nicht hilft, sollten Sie bis zu fünf Mal auf den Rücken (zwischen die Schulterblätter) des Betroffenen schlagen.
  4. Wenn dabei ebenfalls keine Besserung eintritt, rufen Sie umgehend den Notruf unter der Nummer 112.
  5. Droht der Schüler zu ersticken, wenden Sie den Heimlich-Griff an: Hierzu umfassen Sie den Schüler von hinten und platzieren eine Faust zwischen Bauchnabel und Brustbeinende. Mit der anderen Hand umfassen Sie Ihre Faust und ziehen bis zu fünf Mal nach hinten oben in Richtung der eigenen Brust.
  6. Bis der Notarzt eintrifft, wenden Sie den Heimlich-Griff im Wechsel mit Schlägen auf den Rücken an.

Was tun bei…Verbrennungen?

Auch Verbrennungen sind keine Seltenheit in der Schule, schließlich reicht schon ein schiefgegangenes Experiment im Chemieunterricht, um die schmerzhaften Verletzungen hervorzurufen. Wie ist hierbei vorzugehen?

Kleinflächige Verbrennungen

Eine Brandwunde gilt als kleinflächig, wenn diese nicht größer als eine Handfläche ist. Wenn das zutrifft, sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

  • Die Wunde sofort unter fließendem Wasser kühlen. Wenn sich die Verbrennung im Gesicht befindet, helfen feuchte Tücher. Hierbei sollten Sie immer darauf achten, dass die Atemwege freiliegen.
  • Kleidung oder Schmuck nur entfernen, wenn diese nach der Verbrennung nicht auf der Haut haften oder mit dieser verkrustet sind.
  • Mit Kühlpads oder Eiswürfeln sollten Sie die Wunde nicht kühlen, da diese das Gewebe weiter schädigen und zu lokalen Verbrennungen führen können.

Schwere Verbrennungen

Wenn die Wunde des Schülers nicht nur oberflächlich ist und die Größe einer Handfläche übersteigt, sollten Sie unbedingt folgende Rettungsmaßnahmen anwenden:

  • Wenn die Kleidung des Betroffenen brennt, diese mit Wasser oder einer Löschdecke löschen.
  • Zudem sollten Sie so schnell wie möglich den Notruf unter 112 alarmieren.
  • Hierbei gilt auch wieder: Kleidung oder Schmuck nur entfernen, wenn diese nach der Verbrennung nicht auf der Haut haften oder mit dieser verkrustet sind.
  • Großflächige Brandwunden sollten nicht gekühlt werden. Denn dadurch steigt die Gefahr einer kompletten Unterkühlung.
  • Der betroffene Schüler sollte bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes warmgehalten werden. Idealerweise mit der silber-goldenen Decke aus dem Erste-Hilfe-Kasten.

Gut zu wissen:

Im Falle eines Unfalls im Schulrahmen werden nötige Leistungen von der Unfallkasse erbracht. Damit diese Leistungserbringung gesichert ist, muss die Lehrkraft, welche zum Unfallzeitpunkt die Aufsichtspflicht hatte, zeitnah eine Unfallanzeige schreiben und diese an die Unfallkasse senden.