Wissenswertes über Pflegegrade, Einstufung und Pflegeleistungen

Beim Thema Pflegegrade denken Sie vermutlich eher an ältere und betagte Menschen, die nach einem langen selbstständigen Leben irgendwann auf Hilfe von anderen angewiesen sind. Doch es kann viele Gründe geben, warum Menschen plötzlich eingeschränkt sind und Pflege benötigen. Und dann kann es ganz schnell ziemlich wichtig werden, zu wissen,

  • was Pflegegrade sind,
  • wie Begutachtung und Einstufung erfolgen und
  • welche Pflegeleistungen man bei welchem Pflegegrad als Betroffener bzw. Betroffene bekommt.

Außerdem klären wir für Sie, welche privaten Vorsorgemöglichkeiten Sie bei Pflegebedürftigkeit haben – und ob das überhaupt nötig ist.

Pflegestufen: Was hat sich in den letzten Jahren getan?

Den einen oder anderen mag es überraschen: Die Pflegeversicherung ist jünger, als Sie denken. Denn sie wurde erst am 1. Januar 1995 als vorerst letzte Pflichtversicherung im deutschen Sozialversicherungssystem eingeführt. Sprich: Alle, die gesetzlich krankenversichert sind, sind automatisch pflegeversichert. Dagegen müssen sich privat Krankenversicherte selbst um eine private Pflegeversicherung kümmern. Doch auch sie sind gesetzlich dazu verpflichtet.

Mit der Pflegereform, die 2017 in Kraft getreten ist, wurde unter anderem auch das System der Pflegestufen verändert. Die bisher vorherrschenden drei Pflegestufen wurden durch die heute geltenden fünf Pflegegrade abgelöst.

Bei der Aufteilung der drei Pflegestufen wurde bis dahin lediglich zwischen

  • erheblicher Pflegebedürftigkeit (zweimal täglich Hilfe von Pflegenden in zwei Kategorien der Grundpflege benötigt, mehr als 45 Minuten Hilfe erforderlich),
  • schwerer Pflegebedürftigkeit (mindestens dreimal täglich Hilfebedarf bei der Grundpflege für zwei Stunden und mindestens einmal täglich Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung notwendig) und
  • schwerster Pflegebedürftigkeit (Hilfe bei der Grundpflege für mindestens fünf Stunden täglich)

unterschieden und sich an den Messgrößen „Aufwand und Zeit“ orientiert.

Durch die Neueinteilung sollte eine differenziertere Bewertung der Pflegebedürftigkeit möglich sein. Außerdem bekam ein größerer Personenkreis als bisher Anspruch auf Pflegeleistungen zugesprochen. So stehen inzwischen geistige Einschränkungen auf einer Stufe mit Beeinträchtigungen der physischen Fähigkeiten und werden heute bei Begutachtungen gleichwertig beurteilt. Das bedeutet vor allem für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, eine deutlich bessere Einordnung ihrer Pflegebedürftigkeit.

Was steckt hinter den unterschiedlichen Pflegegraden/Pflegestufen?

Die fünf Pflegegrade beschreiben eine Skala, die die Einstufung der Pflegebedürftigkeit körperlich oder psychisch kranker Menschen regelt. Außerdem entscheidet der jeweilige Grad darüber, wie hoch das Pflegegeld ausfällt, das Versicherte über ihre Pflegekasse erhalten.

Pflegegrad 1

Beim Pflegegrad 1 sind die Fähigkeiten der oder des zu Pflegenden nur bedingt beschränkt. Der Alltag kann zum größten Teil ohne Unterstützung bewältigt werden.

Pflegegrad 2

Hier ist die Selbstständigkeit des Antragstellenden bereits erheblich eingeschränkt und es wird Unterstützung im größeren Umfang benötigt.

Pflegegrad 3

Alltägliche Aktivitäten und die Selbstversorgung sind nicht mehr ohne Hilfe von außen zu bewältigen. Es liegt eine schwere Beeinträchtigung vor.

Pflegegrad 4

Auch hier ist die Körperhygiene, Selbstversorgung und die Bewältigung des Alltags nur noch mit Hilfe zu schaffen. Meist können sich die Pflegebedürftigen, die als schwerst beeinträchtigt gelten, auch nicht mehr ohne Unterstützung fortbewegen.

Pflegegrad 5

Menschen mit Pflegegrad 5 sind auf intensivste medizinische Pflege und Betreuung, meist rund um die Uhr, angewiesen. Häufig ist eine häusliche Betreuung nicht mehr möglich und Betroffene werden stationär betreut. Die Anforderungen an die pflegerische Versorgung sind besonders hoch, da der oder die Pflegebedürftige schwerst beeinträchtigt ist.

Infografik: Pflegegrade Beispiele
Grafik Ratgeber Stufen Pflegegrade

Besteht Pflegebedürftigkeit? Bewertungsverfahren zur Feststellung des Pflegegrades

Nachdem Sie die obigen Schritte ausgeführt haben, wird die Pflegekasse den Medizinischen Dienst mit Begutachtung des Pflegegrades beauftragen. Im Medizinischen Dienst arbeiten unabhängige Gutachter und Gutachterinnen, das bedeutet: Ärztinnen und Ärzte oder erfahrene Pflegekräfte. Wer knappschaftlich versichert ist, wird dagegen vom Sozialmedizinischen Dienst begutachtet. Bei einer privaten Versicherung ist der sogenannte Medicproof zuständig.

Ablauf der Bewertung: Der Weg zur offiziellen Pflegebedürftigkeit im Detail

Der Ablauf ist immer derselbe, da die Gutachter und Gutachterinnen bei der Einschätzung der Beeinträchtigung nach einem vorgefertigten Fragenkatalog vorgehen, der die aktuellen Einschränkungen und Probleme abklopft. Unser Tipp: Lassen Sie sich von einem vertrauten Angehörigen bei dem Gespräch unterstützen – das nimmt ein wenig die Angst und Befangenheit. Generell gilt: Die Termine finden ambulant zuhause oder im Pflegeheim statt und werden angekündigt.

Bei dem eigentlichen Bewertungsverfahren der Pflegegrade werden sechs Lebensbereiche, auch Module genannt, geprüft. Die Module werden unterschiedlich gewichtet.

Modul 1: Mobilität (10%)

  • Positionswechsel im Liegen
  • Halten einer stabilen Sitzposition
  • Treppensteigen
  • Fortbewegen innerhalb der Wohnung

Modul 2: Kognitive und kommunikative Fähigkeiten (15%)

  • Angehörige aus näherem Umfeld erkennen
  • Fähigkeit zur Beteiligung an Gesprächen
  • Zeitliche und örtliche Orientierung
  • Erkennen von Risiken und Gefahren

Modul 3: Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (15%)

  • Selbstschädigendes Verhalten
  • Aggression, Wahnvorstellungen
  • Nächtliche Unruhe
  • Antriebslosigkeit

Modul 4: Selbstversorgung (40%)

  • Körperpflege
  • Ernährung (Kochen und Essen)
  • Benutzen einer Toilette und/oder eigenständiger Umgang mit Inkontinenz

Modul 5: Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen und Belastungen (20%)

  • Eigenständige und regelmäßige Medikamenteneinnahme
  • Arztbesuche
  • Generell medizinische Maßnahmen wie Verbandswechsel, Umgang mit Katheter, Injektionen, usw.

Modul 6: Gestaltung des Alltags und Pflege sozialer Kontakte (15%)

  • Selbständige Gestaltung des Tagesablaufs
  • Kontakt halten zu Bezugspersonen
  • Eigenständiges Beschäftigen

Außerdem wird noch geprüft, inwiefern der Haushalt (eigenständig) geführt werden kann und ob man außerhalb seiner vier Wände am Alltagsleben (Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs und Besuch diverser Veranstaltungen) teilnehmen kann. Diese Punkte fließen allerdings nicht in die abschließende Bewertung mit ein. Sie helfen dem Gutachter oder der Gutachterin allerdings dabei, etwaige zusätzliche Hilfs- und Betreuungsangebote wie beispielsweise einen ambulanten Pflegedienst anzubieten.

Einstufung in Pflegegrad: Welche Pflegeleistungen erhält man?

Der Pflegegrad ist ermittelt, die Zusage auf Kostenübernahme haben Sie. Bleibt nur die Frage: Was genau wird von der gesetzlichen Pflegeversicherung denn nun übernommen?

Sie werden es ahnen: Auch das hängt von Ihrem Pflegegrad ab.

Infografik: Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
Grafik Leistungen gesetzliche Pflegeversicherung

Klingt erstmal gut, aber einen Wermutstropfen gibt es leider doch: Meist decken die Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung lediglich die Kosten der sogenannten Grundversorgung. Alles, was über diese Höhe hinaus geht, muss von Ihnen selbst oder Ihren nächsten Angehörigen übernommen werden. Sollte das nicht möglich sein (und gibt es auch keine mobilen oder immobilen Werte, die sich zu Geld machen ließen), gelten Sie als bedürftig und können auf Sozialhilfe zurückgreifen. Der finanzielle Spielraum bleibt dabei jedoch mehr als begrenzt.

Pflegeleistungen beantragen: Antrag auf Pflege Schritt für Schritt erklärt

Um Leistungen der Pflegekasse zu erhalten, müssen Sie einige Dinge beachten:

  • Schritt 1: Stellen Sie einen Antrag auf Einstufung in Pflegegrade bei Ihrer Pflegekasse. Das geht telefonisch, per Mail und Fax, oder Sie schreiben einen formlosen Brief, dass Sie Pflegeleistungen beantragen möchten.
  • Schritt 2: Ihre Pflegekasse schickt Ihnen nach Eingang des Antrags dann ein Formular für die Beantragung von Pflegeleistungen zu.
  • Schritt 3: Neben den normalen Angaben zu Ihrer Person müssen Sie entscheiden, welche pflegerischen Leistungen Sie genau beantragen wollen. Das hängt davon ab, ob Sie zuhause von Angehörigen und/oder einem ambulanten Pflegedienst gepflegt werden möchten oder in einer stationären Einrichtung von Pflegekräften betreut werden wollen.
  • Schritt 4: Da es erfahrungsgemäß beim Ausfüllen zu Schwierigkeiten kommen kann, muss Ihnen die Pflegekasse eine Ansprechpartnerin nennen, die Sie bei Ihrem Antrag unterstützen kann. Selbstverständlich können Sie auch als Antragsteller selbst eine Pflegeberatungsstelle aufsuchen und sich dort beraten lassen.

Wichtig: Um Anspruch auf Leistungen wie Pflegegeld zu haben, müssen Sie mindestens zwei Jahre innerhalb der letzten zehn Jahre in die Pflegekasse eingezahlt haben. Zudem muss mindestens der Pflegegrad 2 bei Ihnen festgestellt werden.

Was, wenn das Pflegegeld nicht reicht? Frühzeitig selbst für Pflege vorsorgen

Es gibt verschiedene Arten der privaten Absicherung. Die bekanntesten Formen möchten wir Ihnen hier vorstellen.

Pflegetagegeldversicherung

Diese Versicherung gehört zu den beliebtesten und günstigsten privaten Zusatzversicherungen. Im Pflegefall wird diese monatlich ausgezahlt. Daher wird sie auch als Pflegemonatsgeld bezeichnet.

Sie berechnet sich aus dem jeweiligen Pflegegrad und dem vorher festgelegten Tagegeld. Die ausgezahlte Leistung ist nicht zweckgebunden. Das heißt: Sie können über das Pflegegeld frei verfügen. Bedenken Sie aber, dass diese Versicherung eine Risikoversicherung ist. Tritt der Pflegefall nicht ein, erfolgt auch keine Erstattung der zuvor eingezahlten Beiträge.

Pflegerentenversicherung

Die Pflegerentenversicherung zählt zu den kostspieligeren Varianten der Zusatzversicherungen, enthält aber zusätzlich einen Sparvertrag.

Wie der Name schon sagt, wird hier eine monatliche Rente mit einem vorher festgelegten Betrag ausgezahlt. Attraktiv macht diese Versicherung, dass das Geld auch ausbezahlt wird, wenn keine Pflegebedürftigkeit eintritt.

Pflegekostenversicherung

Die monatlichen Beiträge gehören zu den niedrigsten, was im Bereich der privaten Pflegevorsorge möglich ist. Allerdings kommt das zu einem gewissen Preis: Denn die ausbezahlten Pflegeleistungen sind in diesem Fall zweckgebunden – und das ziemlich starr. So werden nur diejenigen Pflegeausgaben übernommen, die zuvor in der Versicherungspolice ausdrücklich versichert wurden. In der Regel muss das anhand entsprechender Belege nachgewiesen werden.

Mehr Informationen zu den verschiedenen Absicherungsmöglichkeiten für den Pflegefall gibt es in unserem Ratgeber.

Fairer Hinweis: Früh mit Pflegebedürftigkeit auseinandersetzen lohnt sich

Letztendlich muss jeder und jede für sich selbst entscheiden, ob und welche Zusatzversicherung für die Finanzierung der drohenden privaten Pflegelücke im Alter am besten passt. Und das nicht nur inhaltlich und leistungstechnisch, sondern auch finanziell.

Je nach möglichem Pflegegrad im Alter, können die aus eigener Tasche zu deckenden Kosten stark variieren. Grundsätzlich erscheint eine zusätzliche private Vorsorge in angemessenem Maße mehr als sinnvoll.