Ratgeber
Schlechtes Arbeitszeugnis erkennen und Formulierungen anpassen lassen
Woran erkenne ich ein schlechtes Arbeitszeugnis? Und was kann ein Arbeitnehmer tun, um sich gegen die Formulierungen im Zeugnis zu wehren? Das lesen Sie hier.
Schlechtes Arbeitszeugnis: Wie Sie es erkennen – und was Sie dagegen tun können
Manchen steht er noch bevor, manche sind mittendrin und manche haben ihn schon hinter sich – früher oder später hat nahezu jeder Arbeitnehmer mit dem ersten Jobwechsel zu tun. Wenn es soweit ist, ist es nicht nur wichtig, sich beruflich weiterzuentwickeln – im Rückspiegel soll erkennbar bleiben, was Sie bis zu diesem Punkt schon geleistet haben.
Denn: Fast jeder neue Arbeitgeber fordert im Bewerbungsprozess ein qualifiziertes Arbeitszeugnis des alten Arbeitsgebers. Schließlich gibt das so einiges über Sie, Ihre Fähigkeiten und Ihr bisheriges Arbeitsfeld preis. Darüber hinaus stellt es eine Leistungsbeurteilung dar: Welche Aufgaben haben Sie in Ihrem bisherigen Job erfüllt? Wie war Ihr Umgang mit Kolleginnen und Kollegen? Und am wichtigsten: Haben Sie die an Sie gestellten Erwartungen bisher enttäuscht oder mehr als erfüllt?
Ob das Arbeitszeugnis Ihnen schmeichelt oder Sie Ihren nächsten Job kosten könnte, ist jedoch gar nicht so leicht zu erkennen. Der Grund: Die Gewerbeordnung sieht vor, dass ein Arbeitszeugnis wohlwollend formuliert sein muss. Die meisten Arbeitgeber kommen dieser Pflicht auch nach und verpacken Kritik in nett formulierte Floskeln und auf den ersten Blick inhaltsleere Aussagen.
Eine schlechte Beurteilung könnte sich also auf den ersten Blick sogar recht positiv lesen! Nur: Personaler wissen diese “Geheimsprache” im Arbeitszeugnis sehr wohl zu übersetzen. Doch wie können Sie sicherstellen, dass Ihr Arbeitszeugnis so ausfällt, dass es Ihnen in die Hände spielt? Und was müssen Sie tun, wenn das Arbeitszeugnis Ihre zukünftigen Arbeitgeber heimlich vor Ihnen warnt? Was Sie über Ihr (negatives) Arbeitszeugnis wissen müssen, zeigen wir!
Was sollte im Arbeitszeugnis stehen?
Der letzte Arbeitstag ist vorbei, Sie sind mitten in der Jobsuche und plötzlich flattert die qualifizierte Leistungsbeurteilung des alten Arbeitgebers in den Briefkasten? Bevor Sie sich daran machen, die Formulierungen Ihres ehemaligen Chefs zu entziffern, gilt es, die Vollständigkeit zu begutachten. Denn auch die sagt einiges über das Zeugnis aus.
Hat sich Ihr ehemaliger Arbeitgeber die Mühe gemacht, Ihre Arbeitsleistung als Mitarbeiter ausführlich zu beschreiben? Fehlen wichtige Formalien? Die folgenden Punkte sollten Sie in Ihrem Arbeitszeugnis in jedem Fall wiederfinden:
- Formalien: Datum, Ort, der Zeitraum des Arbeitsverhältnisses und Ihr vollständiger Name gehören in jedem Fall dazu
- Ihr Aufgabenspektrum und eine (ausführliche) Bewertung Ihrer Arbeitsleistungen
- Welche Fähigkeiten Sie durch Ihre Tätigkeit erworben haben
- Ihr Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten
- Unterschrift des Arbeitgebers
So entschlüsseln Sie Ihr Arbeitszeugnis
Haben Sie alle inhaltlichen Bestandteile Ihres Zeugnisses überprüft, geht es an die Formulierungen, die Ihr ehemaliger Arbeitgeber gewählt hat. Die sind, wie gesagt, für das ungeschulte Auge kaum zu entschlüsseln. Dennoch gibt es einige Orientierungspunkte, die Rückschlüsse auf die Bewertung zulassen, die wirklich gemeint ist.
#1 Kleine Wörter können in Arbeitszeugnissen viel bedeuten
„Er erfüllte seine Aufgaben zur Zufriedenheit“ – klingt eigentlich gut, oder? „Er erfüllte seine Aufgaben stets zur vollsten Zufriedenheit“ klingt jedoch um einiges besser. An diesem Beispiel können Sie sofort erkennen, was vorerst unscheinbare Wörter ausmachen.
Lesen Sie deshalb jeden Satz inhaltlich ganz genau. Kommen dort Wörter wie „stets“, „besonders“ oder „außergewöhnlich“ vor, ist das ein Hinweis auf ein gutes Arbeitszeugnis. Hat sich Ihr Arbeitgeber mit den einfachsten Formulierungen („Er erfüllte seine Aufgaben zur Zufriedenheit“) über Sie und Ihre Leistungen geäußert, ist das in der Regel kein gutes Zeichen und spricht eher für ein schlechtes Arbeitszeugnis.
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#2 Superlative im Zeugnis sind super
Im Umkehrschluss zum oberen Beispiel wird klar: Es kann gar nicht hochtrabend genug sein! Die Formulierung „zur vollen Zufriedenheit“ kommt von einem “voll zufriedenen” Arbeitgeber – ein schon recht gutes Omen. „Zur vollsten Zufriedenheit“ – so äußert sich aber ein "vollständig zufriedener Arbeitgeber”. Und deshalb ist, was auf den ersten Blick nach Übertreibung klingt, im Arbeitszeugnis schlicht ein besonders eindeutiges Lob. Halten Sie in Ihrem Arbeitszeugnis also Ausschau nach positiven Superlativen. Tauchen die im Text auf, können Sie sich einer sehr guten Bewertung sicher sein.
#3 Diese Ausdrücke im Arbeitszeugnis bedeuten nichts Gutes
Genauso, wie es eindeutig erfreuliche Formulierungen im Arbeitszeugnis gibt, existieren Formulierungen, die gezielt Kritik an Ihnen üben sollen. Und wenn wir sagen, dass die sich auf den ersten Blick keinesfalls besorgniserregend lesen, dann meinen wir das so. Wenn Ihnen die folgenden, vermeintlich harmlosen Ausdrücke unterkommen, sollten Sie aufhorchen:
- „im Allgemeinen zufriedenstellend“
- „im Großen und Ganzen zufriedenstellend“
- „konnte die Kriterien weitgehend erfüllen“
- „hat sich bemüht“
Es ist, wie es ist: Aussagen wie diese hat Ihr ehemaliger Arbeitgeber nicht aus Zufall gewählt. Sie spiegeln leider die nicht gerade hohe Meinung über Sie und Ihre Arbeitsleistung wider.
#4 Das Bedauern kommt zum Schluss
Am leichtesten erkennen Sie ein sehr gutes oder zumindest gutes Arbeitszeugnis wohl anhand der letzten Sätze. Denn die sollten immer aus einem Bedauern des Arbeitgebers über Ihr Ausscheiden aus dem Unternehmen bestehen. Finden Sie dieses nicht in Ihrem Zeugnis wieder, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Vorgesetzte keine Träne über Ihren Jobwechsel vergossen hat.
Ebenso gehört in der Beurteilung der abschließende Dank für die geleistete Arbeit zum guten Ton. Ein typischer Schlusssatz, in dem sowohl das Bedauern als auch ein Dankeschön nicht zu kurz kommen, könnte etwa so aussehen:
„Wir bedauern Frau Mustermanns Ausscheiden ausdrücklich, haben aber vollstes Verständnis dafür, dass sie sich in beruflicher Hinsicht fortentwickeln möchte. Wir bedanken uns bei Frau Mustermann für die bei uns ausgeführte Arbeit und wünschen Ihr für Ihre berufliche sowie private Zukunft alles Gute.“
Was tun, wenn das Arbeitszeugnis schlecht ausfällt?
Sie haben Ihr Arbeitszeugnis gelesen, entschlüsselt und sind so gar nicht zufrieden mit dem, was dort geschrieben steht? Abschreiben sollten Sie Ihr Arbeitszeugnis deshalb noch nicht. Und schon gar nicht sollten Sie es hinnehmen, dass Ihnen Ihr schlechtes Arbeitszeugnis Ihre berufliche Kariere erschwert. Oft können Sie Ihre Bewertung schon mit geringer Mühe zum Guten wenden – und das sollten Sie auch tun!
#1 Arbeitgeber kontaktieren
Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Arbeitszeugnis nicht Ihren wahren Leistungen oder beruflichen Erfolgen entspricht, sollten Sie im ersten Schritt Ihren Arbeitgeber kontaktieren und das Gespräch suchen. Schildern Sie ihm Ihre Bedenken mit der Bitte, das Arbeitszeugnis positiver zu formulieren. Oft lassen ehemalige Chefs besser mit sich sprechen als gedacht.
#2 Schriftlicher Widerspruch
Es gibt aber natürlich auch Arbeitgeber, die auf ihre Einschätzung bestehen und Ihr Zeugnis keineswegs aufpolieren wollen. Dann können Sie als ehemaliger Arbeitnehmer einen schriftlichen Widerspruch formulieren.
Listen Sie hier die Formulierungen auf, die Ihrer Meinung nach nicht angemessen sind. Schlagen Sie direkt alternative Formulierungen vor. Das zeigt Ihrem ehemaligen Chef, dass Sie seine Absichten voll durchschaut haben, sich aber nicht mit den schlechten Noten abspeisen lassen.
#3 Zeugnisberichtigungsklage
Herrscht auf Arbeitgeberseite immer noch keine Einsicht, können Sie gegen Ihr schlechtes Arbeitszeugnis Klage einreichen. Um damit durchzukommen, müssen zwei Punkte erfüllt sein. Erstens: Die Formulierungen und damit Aussagen Ihres ehemaligen Arbeitgebers über Sie müssen wirklich übel sein. Stehen Sie lediglich für die Note befriedigend oder besser, liegt die Beweislast auf alle Fälle bei Ihnen. Und das ist der zweite Punkt: Sie haben nur Aussicht auf Erfolg, wenn Sie stichhaltige Beweise für Falschaussagen im Zeugnis vorlegen können.
Wichtig: Eine Zeugnisberichtigungsklage müssen Sie drei Wochen nach Erhalt des Arbeitszeugnisses einreichen. Wie aufwendig das juristische Vorgehen ausfällt, hängt vom konkreten Einzelfall ab.
Schlechtes Arbeitszeugnis: Sonderfall Schlusssatz
Zuvor haben wir schon erklärt, dass auch ein wohlwollender Schlusssatz auf ein sehr gutes Arbeitszeugnis hinweist. Fehlt dieser in Ihrem Zeugnis, können Sie dagegen jedoch nicht vorgehen. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu bereits 2012 ein gerichtliches Grundsatzurteil gefällt (9 AZR 227/11). Das besagt, dass die Abschiedsformel nicht zwingend zu einem qualifizierten Arbeitszeugnis gehört. Arbeitsrechtlich gibt es dann also nicht viel zu holen – selbst mit Anwalt.
Generell sollten Sie sich überlegen, ob im Bedarfsfall nicht ein ehrliches Gespräch mit zukünftigen Arbeitgebern die bessere Lösung ist als dauerhafter Ärger mit dem ehemaligen Arbeitgeber. Zügeln Sie Ihre Gefühle, gehen Sie stets überlegt und strukturiert vor. Ein guter Tipp: Bitten Sie Ihren Arbeitgeber etwa alle zwei Jahre um ein Zwischenzeugnis, spätestens aber nach einem internen Wechsel oder einer Beförderung. So werden Sie von der Unzufriedenheit Ihres Arbeitsgebers nicht kalt erwischt. Und im Zweifelsfall können Sie anhand alter Zeugnisse beweisen, dass ein schlechtes Arbeitszeugnis nach Ihrer Kündigung doch nicht mehr als ein Racheakt ist.